Stromversorgung der Zukunft
Spätestens seit der Klimakonferenz von Paris ist klar: Soll die globale Erwärmung tatsächlich auf ein verträgliches Maß begrenzt werden, muss die Menschheit viel stärker als bisher auf das Verfeuern fossiler Brennstoffe verzichten. Das wiederum hat erheblichen Einfluss auch auf die Stromerzeugung. In Deutschland beispielsweise steigt der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromproduktion zwar kontinuierlich. Aber selbst im Jahr 2014 wurde hierzulande noch mehr als die Hälfte des Stroms durch das Verbrennen von Kohle, Gas und Öl erzeugt.
Ganz ohne Verfeuern von Energieträgern wird es bei der Stromerzeugung aber auch künftig nicht gehen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Arbeitsgruppe des Projekts „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS). ESYS läuft noch bis Anfang 2016 und wird von der „Deutschen Akademie der Technikwissenschaften“ (acatech) gemeinsam mit der „Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina“ sowie der „Union der deutschen Akademien der Wissenschaften“ durchgeführt. Als Grund führen die mehr als einhundert Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft „Maßnahmen zur Stabilisierung der Energiesysteme“ an.
Demnach werden Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen bis zum Jahr 2050 die Rolle als wichtigste Stromerzeugungstechnologien in Deutschland übernehmen. Da die Produktion von Wind- und Solarstrom aber stark wetterabhängig und damit „fluktuierend“ ist, werden zusätzlich sogenannte Flexibilitätstechnologien benötigt, um Einspeise- und Verbrauchsschwankungen auszugleichen. Dafür lassen sich zum Beispiel flexibel regelbare Kraftwerke nutzen, Langzeitenergiespeicher oder auch das sogenannte Demand-Side-Management, also eine gezielte Laststeuerung durch Anpassung des Stromverbrauchs an das jeweils aktuelle Angebot.
Mithilfe eines Computermodells spielte die ESYS-Arbeitsgruppe etwa 130 unterschiedliche Energiesystem-Konstellationen durch. Berücksichtigt wurden dabei Aspekte wie Stabilität, Nachhaltigkeit, Kosteneffizienz und gesellschaftliche Akzeptanz. Kurzfristige Stromschwankungen lassen sich demnach am kostengünstigsten durch flexible Verbrauchs- und Speichersteuerungen in privaten Haushalten und der Industrie ausgleichen (Demand-Side-Management). Soll die Versorgungssicherheit dauerhaft aufrecht erhalten werden, seien aber „flexibel befeuerbare Gaskraftwerke“ unerlässlich, erklären die Wissenschaftler: „Sie sind das Rückgrat jedes stabilen Energiesystems der Zukunft.“
Allerdings werden Gaskraftwerke künftig nicht mehr mit fossilen Brennstoffen betrieben, sondern „zunehmend mit Biogas, Wasserstoff oder synthetischem Methan“, erläutert Arbeitsgruppenleiter Professor Dirk Uwe Sauer von der RWTH Aachen. Neue Kraftwerke sollten deshalb „mit variabler Feuerung“ ausgelegt werden, damit die Gaswirtschaft sukzessive von Erdgas auf CO2-ärmere Brennstoffe umgestellt werden kann. Mit den neuen Kraftwerken ließen sich dann bis zu drei Wochen lange wind- und sonnenarme Perioden sicher überbrücken.
Eine ausführliche Analyse der „Flexibilitätskonzepte für die Stromversorgung 2050“ sowie eine Stellungnahme der beteiligten Akademien ist über den c’t-Link kostenlos abrufbar. (pmz@ct.de)
Stromversorgung 2050: ct.de/y1eg