Schule digital: Wie ein Lock-In an Schulen der Gesellschaft schadet

Seite 4: Ausblick – digitale Souveränität fordern und fördern

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Wenn wir uns nicht der Herausforderung stellen und nachhaltige Lösungen finden, verlieren wir perspektivisch jede Chance auf digitale Souveränität – nicht nur in der Bildung. Denn je länger Lock-In-Technologien im Einsatz sind, desto schwerer und teurer wird der Wechsel zu anderen Technologien: Lehrkräfte, die über Jahre hinweg ihre Unterrichtsmaterialien mit Lock-In-Software erstellt haben, fällt der Wechsel verständlicherweise schwer. Und je länger wir Lizenzkosten für proprietäre Software zahlen, desto weiter können deren Hersteller diese optimieren, während gerade dieses Geld für die Weiterentwicklung freier Software fehlt.

Auch leidet die digitale Mündigkeit von Schüler:innen und Lehrenden, wenn sie nur Software-Pakete ausgewählter Hersteller bedienen können. Schon heute begegnen uns immer wieder Personen, die trotz kurzer Einführung nicht in der Lage sind, mit einer anderen Textverarbeitung zurechtzukommen. Neben Produktwissen muss auch Konzeptwissen vermittelt werden, sodass eine Einarbeitung in neue Umgebungen schnell möglich ist.

Je schwerer ein Wechsel fällt, desto mehr Geld kann der Anbieter für sein Produkt fordern – die öffentliche Hand übernimmt diese Kosten zwangsweise. Ähnlich wie in der Politik, wo die Kosten für Microsoft-Lizenzen Jahr für Jahr stark steigen, besteht dieses Risiko auch für unsere Bildungslandschaft. Wir sollten uns nicht darauf verlassen, dass die Firmen geringe Gewinnen akzeptieren, da sie primär an der Bindung der Nutzer:innen interessiert sind beziehungsweise deren Daten sammeln möchten.

Eine Software-Vielfalt und die Möglichkeit, Software frei den eigenen Bedürfnissen anzupassen, fördert die digitale Mündigkeit von Schüler:innen und Lehrkräften. Würden Schulen diesen Schritt flächendeckend gehen, müsste nicht jede Schule die hohen Kosten für die Anpassungen zahlen. Die öffentliche Hand würde statt Software-Lizenzen nun die Weiterentwicklung von freier Software finanzieren, weitere Kosten fallen für den Betrieb an. Dies schafft lokale Arbeitsplätze und bringt die Software weltweit voran. Genauso wie die Schulen von den Weiterentwicklungen anderer profitieren werden.

Innerhalb der EU ansässige Firmen zahlen im Gegensatz zu manchen globalen Tech-Giganten Steuern auf ihre Gewinne. Mit entsprechenden Budgets kann freie Software in vielen Bereichen den Vergleich zu proprietärer Software halten. Auch Hardware kann länger eingesetzt werden, weil Sicherheitsupdates länger zur Verfügung gestellt werden.

Es werden weniger oft neue Geräte angeschafft, was aus Umweltaspekten nachhaltiger ist und die damit einhergehenden Menschenrechtsverletzungen beim Abbau von Konfliktmaterialien in Ländern des globalen Südens verringert. Langfristig wäre dieser Weg zukunftssicherer. Außerdem verhindert dezentral betriebene Infrastruktur den flächendeckenden Ausfall von Plattformen oder überregionale Leaks von personenbezogenen Daten.

Schüler:innen, deren Know-How sich nicht nur auf den Umgang mit Microsoft oder Apple Geräten beschränkt, sondern die ein grundlegendes Verständnis für Technologie entwickelt haben, sind problemlos in der Lage, sich kurzfristig Neues anzueignen. Auch wären die Hürden, die Software in Politik und Behörden auf freie umzustellen, deutlich geringer und die für unsere Gesellschaft so wichtige und oft geforderte digitale Souveränität wäre langfristig gesichert. Das bei Lizenzen eingesparte Geld stünde unter anderem für die Weiterentwicklung von freier Software zur Verfügung.

Ziel des Schulsystems müssen mündige Menschen sein, die die digitalen Werkzeuge verstehen und hinterfragen können. Digitale Mündigkeit muss über reines Anwendungswissen oder informatische Grundlagen wie das Programmieren hinausgehen. Schüler:innen sollen keine bloßen Nutzer:innen und Werbekund:innen von Plattformen werden, sondern diejenigen sein, die ihre Maschinen kontrollieren und gestalten. Digitalpolitik darf dabei nicht als technischer Randbereich verstanden werden, sondern muss als Grundpfeiler einer modernen Gesellschaftspolitik behandelt werden. Ohne mündige Bürger, im Analogen wie im Digitalen, ist keine Demokratie möglich.

Vor dem Hintergrund der jahrelangen Fehlentwicklungen ist der Weg zu Lock-In-freier Infrastruktur kein leichter, doch je länger wir warten, desto steiniger und teurer wird er. Im Sinne einer freien Bildung, mündigen Bürgern und einer freien Gesellschaft (PDF) müssen wir ihn gehen. Schulen wären der beste Startpunkt dafür.

Dieser Text steht unter der Lizenz CC-BY 3.0

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(kbe)