c't 14/2023
S. 134
Wissen
40 Jahre c’t

Pionierinnen

Laut einer Studie von 1989 waren Frauen die ersten Spezialistinnen am Büro-PC

Die Ersten, die mit den damals neuen PCs im Büro arbeiteten, waren meistens Frauen. Das belegte eine vom Bundesfamilienministerium in Auftrag gegebene Studie. Susanne Schnelle berichtete darüber in c’t 12/1989.

Von Rudolf Opitz

Während in den 1980er Jahren vor allem Männer am Homecomputer spielten, programmierten und bastelten, waren es meistens Frauen, die im Büro einen PC vor die Nase gestellt bekamen. Das Soziologische Forschungsinstitut in Göttingen untersuchte im Auftrag des Bundesministeriums für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit ab 1986 die Bedeutung neuer Technologien für weibliche Angestellte. Susanne Schnelle berichtete 1989 über die Ergebnisse der drei Autorinnen der Studie:

„In mittelständischen Betrieben seien Frauen ‘Motor technischer Innovation’, Computer nicht Jobkiller von Frauenarbeitsplätzen, sondern auch Vehikel für berufliches Fortkommen von Frauen.“

Die Autorinnen der Studie Karin Gottschall, Heike Jacobsen und Ilse Schütte hatten in 25 kleinen und mittelständischen Betrieben Interviews mit Führungskräften und Geschäftsleitungen geführt und mit Sachbearbeiterinnen und Betriebsräten gesprochen. Dabei konnten sie das Vorurteil widerlegen, Frauen hielten aus Angst vor Fehlern Abstand zu Computern:

„Frauen, denen Computer auf die Schreibtische gestellt wurden, zeigten nicht die vielzitierte Technikscheu.“

Dabei fehlten zu der Zeit häufig begleitende Schulungen, Eigeninitiative war gefragt:

„Intensive Lektüre von Handbüchern, der Besuch von Programmierkursen oder Volkshochschulveranstaltungen in Informatik helfen beim Einstieg in die neue Technik. Unter der Hand – und außerhalb der Arbeitszeit (!) – qualifiziert sich manche Frau so zur EDV-Expertin.“

In den 1980er Jahren war EDV-Wissen noch lange nicht Allgemeingut und viele Chefs und Entscheider hatten keine Ahnung vom Arbeitsaufwand, den eigenen Datenbestand an die viel gelobte Software-Hardwarelösung anzupassen. Hier zeigten gerade die Mitarbeiterinnen ein hohes Maß an Eigeninitiative. Der Artikel zitiert aus Einzelgesprächen, etwa mit einer Sachbearbeiterin, die bei der Digitalisierung des Datenbestandes half und dafür ihren Urlaub opferte.

„Es war eine knallharte Zeit, eine Zeitlang herrschte das Chaos, aber mir hat das Ganze auch unheimlich Spaß gemacht.“

Die ersten Spezialisten am Büro-PC waren Frauen. In der c’t 12/1989 schrieb Susanne Schnelle über eine Studie, die das belegte.
Die ersten Spezialisten am Büro-PC waren Frauen. In der c’t 12/1989 schrieb Susanne Schnelle über eine Studie, die das belegte.

Die oft unsystematische Umstellung auf digitale Datenverarbeitung forderte von den Frauen viel Arbeitseinsatz, doch hatten sie oft Einfluss auf Workflows und Strukturen und wurden so zu EDV-Spezialistinnen, ohne die nicht mehr viel ging. Susanne Schnelle zitiert aus einem anderen Interview:

„Die beiden älteren Herren hier bei uns (Einkaufsleiter und Einkaufssachbearbeiter) haben keine Ahnung und stellen sich auch immer wieder dumm, wenn es um die Verbuchung der Bestellungen geht. Ich verbringe ein Viertel meiner Arbeitszeit damit, diesen Herren zu erklären, wie die Buchungsvorgänge am Bildschirmgerät bearbeitet werden müssen.“

Die sachkundige Beschäftigung mit dem Firmen-PC und die gestiegenen Anforderungen empfanden die befragten Frauen durchweg als positiv und befriedigend. Es fördere das Selbstbewusstsein. Doch haben sich Eigeninitiative und Weiterbildung weder auf die Gehälter noch auf die Aufstiegschancen ausgewirkt. Das Fazit der drei Forscherinnen klingt dann auch eher negativ. Immerhin sei die Tätigkeit der Sachbearbeiterinnen anspruchsvoller und damit auch interessanter geworden. Mit dem Spezialwissen haben sie ihre Stellungen gesichert und ausgebaut. Auch höhere Positionen im Bereich Marketing und Controlling seien erreichbar.

Dem Bundesfamilienministerium gefiel das Resümee der Studie als Auftraggeber sehr gut, den Autorinnen weniger. In einem Interview mit der Frankfurter Rundschau fassten sie es kurz und prägnant zusammen:

„Unsere Studie zeigt vielmehr, daß Frauen eine optimal genutzte Ressource sind. Nur haben sie nichts davon.“ (rop@ct.de)

Der Originalartikel als PDF: ct.de/ynqu

Kommentare lesen (5 Beiträge)