c't 23/2020
S. 46
Aktuell
Prozessoren

Bit-Rauschen

AMD Ryzen 5000, ARM Matter­horn, deutsche RISC-V-Projekte

AMD kündigt den Ryzen 5000 mit Zen 3 an, Intel kontert schwach. ARM verspricht schnellere Kerne für 2021, die Apple aber schon hat. RISC-V findet neue Freunde und ein Börsenspekulant attackiert IT-Firmen.

Von Christof Windeck

AMD-Chefin Lisa Su stellte am 8. Oktober die Ryzen-5000-Prozessoren für Desktop-PCs vor, siehe Seite 48. Die beeindruckenden Benchmarks zeigen, dass AMD die Führung vor Intels Core i-10000 weiter ausbaut. Intel schickte am Tag zuvor einen schwachen Konter los und kündigte den Core i-11000 „Rocket Lake“ fürs erste Quartal 2021 an. Der soll zwar immerhin PCI Express 4.0 bringen, aber die Ryzen-Plattform wird mit 14-­Nanometer-Technik kaum mehr zu schlagen sein. Der AMD-Aktienkurs steht so gut, dass Lisa Su angeblich sogar plant, den FPGA-Spezialisten Xilinx zu schlucken.

Ein weiterer ARM-Kunde auf RISC-V-­Abwegen: Maxim Integrated baut in den MAX78000-Chip einen RV32-Kern.
Bild: Maxim Integrated

Auch ARM will 2021 weiter aufdrehen, nämlich mit Cortex-A-Prozessorkernen der Generation „Matterhorn“. Die könnten um rund 70 Prozent schneller werden als ein Cortex-A77, wie er im bisher schnellsten Qualcomm Snapdragon steckt, dem 865+. Laut ersten Geekbench-5-Ergebnissen des Apple A14 liegt ein einzelner seiner starken Kerne (er hat zusätzlich auch schwache) auf dem Niveau eines Tiger-Lake-Kerns im Intel Core i7-1185G7 und über 50 Prozent vor dem erwähnten Snapdragon 865+. ARMs Matterhorn wäre folglich zwar schneller als ein Apple A14, doch bis vielleicht 2022 real existierende Matterhörner auftauchen, ist Apple wohl schon beim A15. Der absehbare Rückstand auf x86- und Apple-Chips dürfte wenige Notebook-Hersteller verlocken, aufs ARM-Pferd zu setzen.

RISC-V schleicht sich ein

Von dermaßen hohen Rechenleistungen sind RISC-V-Kerne noch weit entfernt. RISC-V-Pionier SiFive will Ende Oktober aber den Freedom U740 vorstellen, der sich für einen Linux-„PC“ für Software-Entwickler eignen soll. Ob er deutlich schneller wird als der Raspberry Pi 4, muss sich zeigen. Schön wäre aber endlich ein Linux-tauglicher RISC-V-Chip mit PCI Express und USB.

Den ARM-Kuchen nagt RISC-V bisher von unten an, immer mehr Firmen bringen 32-Bit-Mikrocontroller mit RV32-Kernen. Bisher kommen die vor allem von SiFive oder aus China (Gigadevice, Espressif); mit Renesas wirft ab 2021 jedoch einer der wirklich Großen aus der Mikrocontroller-Szene seinen Hut in die RISC-V-Arena. Maxim Integrated ließ gerade den MAX78000 mit KI-Erweiterung und sowohl ARM-(Cortex-M4-) als auch RV32-Kern vom Stapel, etwa für intelligente IoT-Geräte mit Akkubetrieb.

Dass ARM nun wohl in US-Hände gerät, beschert RISC-V deutlichen Auftrieb in Europa, um die digitale Souveränität zu stärken. NXP hat einen experimentellen RISC-V-Chip aufgelegt und die deutschen Chipfirmen Infineon und Bosch arbeiten an RISC-V-Forschungsprojekten, die das Forschungsministerium (BMBF) mit insgesamt mehr als 20 Millionen Euro fördert. Bei Safe4I geht es um sichere Chips für den industriellen Einsatz, bei Scale4Edge um spezialisierte Chips fürs IoT. Die Forschungsaktivitäten nennt das BMBF „Zukunftsfähige Spezialprozessoren und Entwicklungsplattformen“, kurz ZuSE, als Erinnerung an den Computerpionier Konrad Zuse. Der wiederum hatte für seinen Relaisrechner Z4, der heute im Deutschen Museum in München zu bewundern ist, 1945 eine Bedienungsanleitung tippen lassen. Letztere tauchte nun in der Schweiz auf: Dort – genauer an der ETH Zürich – nutzte man den Zuse Z4 von 1950 bis 1955 unter anderem zur Berechnung von Flugzeugteilen.

Fiese Tricks

IT-Firmen müssen sich nicht bloß gegen Konkurrenten wappnen, sondern auch gegen Angriffe von Spekulanten. Geld kennt offenbar keine Moral: Die „Ryzenfall“-Sicherheitslücke in AMD-Prozessoren wurde vor zwei Jahren auf sehr ungewöhnliche Art und überraschend von der israelischen Firma CTS-Labs publiziert. Bevor CTS aber AMD informierte, holte man die Firma Viceroy Research des Börsenspekulanten Fraser Perring ins Boot. Es bestand offensichtlich Interesse, mit Leerverkäufen auf fallende Börsenkurse zu setzen (AMD zu „shorten“), was Viceroy freimütig zugibt. Viceroy wiederum steckt auch hinter den aktuellen Vorwürfen gegen die deutsche Firma Grenke und wettete auch gegen Wirecard.

Nun war die Ryzenfall-Lücke keine bloße Erfindung und wurde mittlerweile geschlossen, wenn auch nicht optimal dokumentiert. Doch ist es nicht im Sinne der IT-Nutzer, wenn das Wissen um offene Sicherheitslücken für Aktienspekulation benutzt wird. Auch wenn es berechtigte Kritik am üblichen Verfahren der koordinierten Veröffentlichung (coordinated dis­closure) gibt: Es ist sinnvoll, zum Zeitpunkt der Bekanntmachung einer Schwachstelle auch schon einen Patch bereitstellen zu können. Besser wäre bloß noch, erst gar keine Sicherheitslücken zu haben, aber das bleibt Wunschdenken. (ciw@ct.de)

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