c't 23/2020
S. 136
Wissen
US-Wahlkampf & Soziale Medien
Bild: Rudolf A. Blaha

Mediale Irrwege

Die Rolle der sozialen Plattformen im US-Wahlkampf

Je näher der Wahltermin in den Vereinigten Staaten rückt, desto hektischer agieren Facebook, Twitter und Google mit Einschränkungen. Einerseits wollen sie mit politischer Werbung viel Geld kassieren, auf der anderen Seite erkennen sie all­mählich, wie sie die Gesellschaft mit ge­zielter Desinformation gespalten haben.­

Von Holger Bleich

Am 2. Oktober twitterte US-Präsident Donald Trump: „Tonight, @FLOTUS and I tested positive for COVID-19. We will begin our quarantine and recovery process immediately.“ So erfuhren seine So­cial-Media-Follower die Breaking News früher als das TV-Publikum. Das steht für die enorme Bedeutung der sozialen Medien im US-Präsidentschaftswahlkampf. Sie hat im Vergleich zum Wahlkampf 2016 nochmals zugenommen.

Was sich auf Plattformen wie Facebook und Twitter abspielte, nachdem Trumps Covid-19-Erkrankung bekannt war, belegt diese These. Die Kampagnenleitung von Trumps Mitbewerber Joe Biden stoppte umgehend sämtliche Werbung auf den sozialen Plattformen, die den republikanischen Präsidenten diskreditiert (negative campaigning).

Trumps Team wiederum steckte in der Klemme, weil der Präsident nun vorerst Wahlkampfveranstaltungen absagen musste. Man ging in die Offensive: Mehr als 500.000 US-Dollar investierte die Kampagnenleitung zusätzlich in Facebook-Werbung während der Quarantänezeit Trumps. Man konzentrierte sich darauf darzustellen, wie gut Trump durch die Krankheit kommt und dass er gestärkt und immun daraus hervorgehen wird.

Allerdings hatte sein medizinischer Stab nicht einmal eine Bestätigung über einen negativen Coronatest oder einen validen Antikörpertest geben wollen, geschweige denn eine Immunität attestiert. Facebook ließ die offensichtlichen Falschbehauptungen dennoch unkommentiert stehen, denn es handelt sich um bezahlte Reklame, die der Konzern nicht inhaltlich prüfen mag. Twitter dagegen versah einen Trump-Tweet, in dem er seine angebliche Immunität feierte, mit einem deutlichen Warnhinweis: Die Nachricht enthalte irreführende und möglicherweise schädliche Informationen zu Covid-19.

Dass Donald Trump sich ohne negativen Coronatest für immun erklärt, sieht Twitter als irreführende Information zu Covid-19 an.

Indirekt befeuerte Trump mit seinen halbwahren Botschaften wieder einmal die Fake-News-Maschinerie, die prompt heiß lief. Die Nachricht, das Coronavirus habe sich mittlerweile stark abgeschwächt, machte die Runde. Ein zusammengeschnittenes Video mit Hustenanfällen von Biden sollte zeigen, dass Biden vor Trump Corona-positiv war und er diesen deshalb während der TV-Debatte angesteckt haben müsse. Es wurde tausendfach geteilt.

Kommentieren