c't 23/2020
S. 3
Standpunkt

eGovernment: Grundrecht auf Online-Verwaltung

Ich bin aufs Land gezogen. Mit DSL und ePerso. Da sollte die Ummeldung des Autos doch kein Problem sein. Schließlich wurde das System i-Kfz schon 2015 eingeführt und ist inzwischen ausgereift.

Also beim Portal der Zulassungsstelle angemeldet, mit dem ePerso identifiziert und schon zeigt mir das System die Daten meines Autos aus der zentralen Datenbank. Dann muss ich nur noch die Übernahme meiner Adressdaten aus dem ePerso bestätigen und das war’s.

Träumt weiter! Das System ist doch nicht für Bürger wie mich gemacht. Es wurde für Mitarbeiter in der Verwaltung und in Autohäusern entwickelt und mutet an wie in Netscape unter OS/2 2.1 programmiert. Autohändler melden fremde Fahrzeuge an und um. Also muss ich die ID meines eigenen Autos selbst eingeben. Dann die Daten der letzten Überprüfung. Doch die ist zu lange her. Aber anstatt mich erst mal zum TÜV zu schicken, fragt das System sinnlos irgendwelche ­Expresscodes ab.

Speichern kann man natürlich nichts, also fange ich nach dem Besuch in der Werkstatt wieder von vorne an. Es klappt auch diesmal nicht. Der Prüfer hat die Daten noch nicht eingegeben. Dass das bis zu einer Woche dauern kann, erfahre ich weder von der Zulassungsstelle noch von der Prüforganisation.

Als die Daten endlich im System sind, darf ich als letztes den Sicherheitscode auf den ­Zu­lassungspapieren freirubbeln. „Außer Betrieb gesetzt“ steht jetzt dort - für jeden Streifenpolizisten deutlich zu lesen. Macht nix, gleich bekomme ich ja neue Papiere. Aber erst die ­Gebühr. Immerhin 17,90 Euro soll es kosten, dass ich meine eigenen Daten in das staatliche System eintragen durfte. Schnell die Online-­Zahlweise ausgewählt. Aber huch, es gibt nur Giropay. Bei meiner Bank „temporär“ leider nicht ver­fügbar, wie ich feststelle. Kredit­karte, Rechnung, meinetwegen Paypal – Fehl­anzeige.

Mein Auto ist außer Betrieb und ich darf nun für 30 Euro zwei Stunden mit dem Zug in die Kreisstadt fahren, um auf der Behörde 17,90 Euro bar einzuzahlen. Oder ich streike. Für ein Grundrecht auf digitale Verwaltung im ­Grund­gesetz.

Tim Gerber

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