c't 4/2022
S. 108
Wissen
Digitaler Euro

Ganz neues Geld

Der lange Weg zum digitalen Euro

Die Europäische Zentralbank entwickelt eine digitale Währung. In diesem Überblick beleuchten wir, welche Vorteile ein digitaler Euro gegenüber privaten Währungen wie dem Bitcoin hätte, was sich die Finanzwelt von einem digitalen Euro verspricht und ob er das Bargeld bedroht.

Von Tobias Weidemann

Zum gewohnten Bargeld, zu den verschiedenen bargeldlosen Zahlungsmöglichkeiten per Konto, Karte oder App und zu Kryptowährungen wie Bitcoin & Co. könnte sich hierzulande bald eine weitere Form des Geldes gesellen: der digitale Euro. Aber warum braucht es eigentlich eine weitere digitale Währung, wo man doch heute schon bequem per PayPal, Apple Pay oder Bitcoin digital bezahlen kann?

Stellen Sie sich dazu als mögliches Szenario vor, dass Sie über Ihr Bankkonto digitale Euros in ein Wallet laden, mit dem Sie über Ihr Smartphone oder eine Plastikkarte in Echtzeit zahlen. Anders als bei der „Geldkarte“, jener einst zum schnellen Bezahlen gedachten Zusatzfunktion der Girocard, könnten Banken und Zahlungsdienstleister nach dem Aufladen nun aber außen vor bleiben.

Stattdessen wechseln nur einige Token in Echtzeit von einem Wallet ins andere – egal, ob Sie einer Freundin die mitgebrachte Tüte Pommes erstatten, im Laden eine Zeitschrift kaufen oder online Schuhe bestellen. Im ersten Fall halten Sie Smartphones aneinander oder an eine „Walletkarte“, im Laden nutzen Sie ein Kassenterminal und beim Onlineshopping eine Browser-Erweiterung.

Im aus Verbrauchersicht besten Fall bringen diese digitalen Euros die gleichen Vorteile mit wie Bargeld: Sie sind anonym, leicht zugänglich, einfach nutzbar und gegen technische Ausfälle gewappnet. Sie brauchen im Unterschied zu PayPal oder Apple Pay keine an Entgelten und Daten interessierten Banken und Dienstleister als Vermittler. Sie funktionieren nach verlässlichen und simplen Regeln, unterliegen im Unterschied zu Bitcoin & Co. keinen extremen Wechselkursschwankungen und sind zukunftssicher. Sie verdrängen die klassischen Münzen und Scheine nicht, sondern ergänzen sie.

Ob es wirklich so kommt, ist noch offen. Die Europäische Zentralbank (EZB) führt derzeit ein Projekt durch, in dem sie einen „digitalen Euro“ in verschiedenen Varianten erprobt, um der Politik anschließend Empfehlungen vorzulegen. Die Basis dieser digitalen Zentralbankwährung (Central Bank Digital Currency, CBDC) würde voraussichtlich eine von der EZB verwaltete und ihrer Geldpolitik unterliegende Infrastruktur bilden.

Ein digitaler Euro für Bürger ...

Doch was wird man mit digitalem Zentralbankgeld genau tun können, abgesehen von den genannten hypothetischen Beispielen? Dazu gibt es eine Vielzahl an Ideen und Szenarien. Die Ausgestaltung der Währung wird direkten Einfluss darauf haben, ob sich daraus ein Mehrwert ergibt oder ob das Ganze im Prinzip nicht mehr bringt, als man mit Apple Pay, PayPal, der SEPA-Echtzeitüberweisung oder anderen bereits bestehenden Diensten auch realisieren könnte.

Unter anderem versprechen sich viele Experten von einem digitalen Euro eine preiswerte Möglichkeit, nationale und vor allem internationale Zahlungen schneller und einfacher anzuweisen. Das betrifft Zahlungen zwischen Privatpersonen, noch mehr aber zwischen Unternehmen, die so eine dokumentierbare Zahlungsmöglichkeit erhalten.

Ein weiterer wichtiger Bereich sind Micro Payments, also die Zahlung von Kleinstbeträgen. Sie sind aufgrund der Kostenstrukturen von Zahlungsdienstleistern und Banken in bargeldloser Form bis heute unverhältnismäßig teuer: Händler entrichten pro Zahlung selbst bei Centbeträgen meist einen fixen Sockelbetrag plus ein prozentual an der Höhe des Umsatzes berechnetes Entgelt. Diese Kosten geben sie über die Produktpreise an die Verbraucher weiter. Für Micro Payments könnte ein digitaler Euro, der billig bis kostenneutral arbeitet, ganz neue Geschäftsmodelle schaffen.

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