c't 9/2020
S. 173
Test & Beratung
VR-Ego-Shooter

Schaurigschön

Half-Life Alyx: Die neue VR-Referenz

So gruselig und doch so schön: Das erste neue Half-Life seit zwölf Jahren fühlt sich intensiv an wie kein VR-­Titel zuvor. Das ist faszinierend, aber auch anstrengend.

Von Jan-Keno Janssen und Timo Schmidt

Half-Life: Alyx ist eine echte Vir­tual-Reality-Killer-App. Das war bereits vor dem Erscheinungstermin klar: Schon die Ankündigung des VR-exklusiven Titels im November führte dazu, dass die meisten VR-Headsets nicht mehr erhältlich waren, bis Redaktionsschluss waren Oculus Quest, Rift S und Valve Index bei den meisten Händlern ausverkauft. Aber kann das erste Half-Life seit zwölf Jahren die hohen Erwartungen erfüllen? Und ist es wirklich ein echtes Half-Life-Spiel? Ist es gerechtfertigt, Millionen Half-Life-Fans ohne VR-Headset mit einem VR-exklusiven Spiel zu verärgern? Wir haben mehr als 15 Stunden mit dem Spiel verbracht und können alle Antworten ruhigen Gewissens mit „ja“ beantworten.

Schon die allererste Szene ist nicht weniger als atemberaubend: Man steht auf einem Balkon und schaut auf City 17, einem der wohl berühmtesten Orte der Spielegeschichte. Im Vordergrund bröckelt der Putz von den stalinistisch anmutenden Gebäuden, im Hintergrund sticht die zweieinhalb Kilometer hohe Zitadelle durch die Wolken. Alles lebt: Vögel und Drohnen fliegen herum, unten patrouillieren Combine-Soldaten – und was ist das für ein komisches Flugzeug da hinten? Kaum ein VR-Titel erreichte bislang eine derartige Präsenz: Man spielt kein Computerspiel, sondern steht wirklich auf dem Balkon in City 17. So gut wie alles, was ­herumliegt, lässt sich anfassen, zum Beispiel die Bierflasche mit den kyrillischen Buchstaben auf dem Etikett. Geht man vom Balkon ins Gebäude und von da in den Keller, meint man, einen modrigen Geruch wahrzunehmen; so gut trickst die extrem detaillierte Welt das Gehirn aus.

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