Generationenkonflikt
Was 5G in Smartphones bringt
Zwar ist 5G in aller Munde, aber lange nicht in allen Smartphones. Wozu auch, könnte man meinen, bei dem aktuell geringen Ausbau. Doch das neue Smartphone soll ja eine Weile halten, was wiederum für 5G spricht. Man muss aber mit ein paar Kinderkrankheiten der Handys leben.
Ein Smartphone mit 5G gibt es schon ab 400 Euro, bei High-End-Modellen kostet die 5G-Variante vielleicht zehn Prozent mehr. Zudem gewähren immer mehr Laufzeitverträge und auch die ersten Prepaid-Verträge Zugang zum neuen Funknetz. Da kommt man schon mal ins Grübeln, auch weil die 5G-Versprechen verlockend klingen: Campusnetze, superkurze Pingzeiten, Edge-Computing, Gigabit-Downloads, Spiele in Echtzeit.
Nicht alles davon kommt tatsächlich den Smartphones zugute. Campusnetze etwa sollen eher die Vernetzung von industriell oder landwirtschaftlich genutzten Maschinen vor allem in Echtzeitanwendungen verbessern. Den Mitarbeiter-Smartphones Zugang zum Campusnetz zu gewähren ist nur ein Nebeneffekt, wenn überhaupt vorgesehen.
Die versprochenen Download-Raten von bis zu 10 GBit/s fließen nur in den Laboren der Chiphersteller. In Deutschland würden aufgrund der Beschränkungen der Frequenzbänder bestenfalls 2 bis 3 GBit/s zu erzielen sein, und selbst das nur, wenn ein Provider alle seine Bänder zusammenschaltet [1]. Das wird aber auf Jahrzehnte hinaus nicht passieren, weil die Provider LTE, GSM und eine Zeitlang auch noch UMTS in ihre Bänder quetschen. Zudem bauen sie Mehrfachfrequenzen nur in Ballungsgebieten auf, um eine größere Zahl von Teilnehmern zu versorgen – höhere Transferraten erzielt man dann nur noch außerhalb der Stoßzeiten, etwa nachts.
Für noch höhere Bandbreiten benötigt man die sogenannten mmWave-Bänder ab 24 GHz. Hier erreichen Testaufbauten auch mal 100 GBit/s, allerdings mit bei Weitem nicht in Smartphones integrierbarer Technik. In Deutschland sind die Bänder nicht mal vergeben, der Ausbau wird Jahre dauern, falls er überhaupt flächendeckend stattfindet. Einige Kritiker befürchten zudem eine noch nicht zur Gänze erforschte Gesundheitsgefährdung speziell in diesen Bändern [2]. Beim aktuellen Smartphone-Kauf spielt mmWave daher keine Rolle.
Gemessen
Mit einem Samsung Galaxy S20 Ultra 5G und einem Huawei P40 Pro sowie einer SIM von Vodafone haben wir uns nach Bennemühlen aufgemacht, einem kleinen Ort nördlich der c’t-Redaktion in Hannover, in dem Vodafone ein 5G-Testnetz betreibt. Tatsächlich haben wir hier beeindruckende 200 bis 530 MBit/s gemessen, wobei die Zelle vermutlich bis auf uns leer war. Im LTE-Modus lieferte sie 50 MBit/s, andere LTE-Standorte in der Umgebung lagen teils bei nur 10 bis 15 MBit/s.
Die Ping-Zeiten lagen allerdings wenig beeindruckend um 25 Millisekunden. Das mag der schlechten Anbindung des Funkmasts in der ländlichen Wedemark geschuldet sein, der Netzlast während der Coronakrise oder fehlenden Software-Updates im Betreibernetz, wie Vodafone vor einiger Zeit erklärt hatte. Damit fühlte sich das Smartphone so schnell an wie bei guter LTE-Abdeckung gewohnt.
Zum Vergleich: Im Homeoffice nahe des hannoverschen Hauptbahnhofs kommt das LTE-Netz von Vodafone auf 70 bis 190 MBit/s bei 12 bis 30 Millisekunden Ping, das Telekom-LTE auf 60 bis 140 MBit/s bei 12 bis 25 Millisekunden.
Laufzeiteinbruch
Erschreckend hingegen haben sich die Laufzeiten entwickelt. Zuerst haben wir das S20 Ultra 5G beim Abspielen eines YouTube-Videos unter ständiger Funklast gemessen. Im WLAN lief es hierbei 17,7 Stunden, verlor also etwa 5,7 Prozent der Akkuladung pro Stunde. Vorab im LTE-Netz gemessen stieg der Anteil auf 7,2 Prozent pro Stunde. Im 5G-Netz haben wir 12,8 Prozent pro Stunde gemessen – hochgerechnet also nur 7,8 Stunden.
Der Mehrverbrauch liegt nicht an der hohen Funklast, ergab ein weiterer Test: Beim Aufrufen einer einfachen Webseite alle paar Minuten verlor der Akku ebenfalls rund 12 Prozent pro Stunde. Zum Vergleich waren es hier rund 5,5 Prozent pro Stunde per LTE. Das Aufrechthalten der 5G-Verbindung kostet also den Strom, nicht die Datenübertragung selbst.
Als Ursache vermuteten wir das separate 5G-Modem des Galaxy S20 – deren Samsung-SoC Exynos 990 hat nur 2G, 3G und 4G eingebaut. Besonders gespannt waren wir also auf die Messungen mit dem Huawei P40 Pro, weil es sich bei dessen SoC Kirin 990 5G um den ersten lieferbaren mit integriertem 5G handelt.
Doch die Ergebnisse ähnelten frappierend denen des S20. Im 5G-Betrieb verlor der Akku sowohl beim gemächlichen Browsen als auch beim YouTube-Streamen rund 13 Prozent pro Stunde, im LTE-Betrieb bei den gleichen Aktionen rund 8 Prozent, im WLAN-Betrieb rund 6 Prozent. Auch hier halbiert also 5G gegenüber WLAN die Laufzeit.
Wir hoffen auf Firmware-Updates – oder darauf, dass zumindest zukünftige SoCs mit integriertem 5G besser laufen. Als Nächstes erwarten wir den Snapdragon 765G beispielsweise im Motorola Edge und Nokia 8.3.
Immerhin: Schaltet man 5G in den Einstellungen aus, erzielten beide Telefone auch im 5G-Empfangsbereich sofort wieder die LTE-Laufzeiten. Der stromhungrige 5G-Teil wird also komplett deaktiviert. Wem also im 5G-Bereich die Laufzeit nicht mehr ausreicht, der sollte das Smartphone im 4G-Modus betreiben und 5G nur bei Bedarf einschalten.
5G-Smartphones in Deutschland | ||||||||
Smartphone | Straßenpreis | SoC | 5G-Modem | N28 | N1 | N78 | N77 | mmWave |
Huawei Mate 20X 5G | 760 € | Kirin 980 | Balong 5000 | – | – | ✓ | ✓ | – |
Huawei Mate Xs | 2500 € | Kirin 990 5G | integriert | ✓ | ✓ | ✓ | ✓ | – |
LG V50 Thinq 5G | 730 € | Snapdragon 855 | Snapdragon X50 | – | – | ✓ | – | – |
Samsung Galaxy A90 5G | 610 € | Snapdragon 855 | Snapdragon X50 | – | – | ✓ | – | – |
Samsung Galaxy Fold 5G | 2100 € | Snapdragon 855 | Snapdragon X50 | – | – | ✓ | – | – |
Samsung Galaxy Note 10+ 5G | 980 € | Exynos 9 9825 | Exynos 5100 | – | – | ✓ | – | – |
Samsung Galaxy S10 5G | 900 € | Exynos 9 9820 | Exynos 5100 | – | – | ✓ | – | – |
Samsung Galaxy S20 5G | 1000 € | Exynos 990 | Exynos 5123 | ✓ | ✓ | ✓ | ✓ | – |
Samsung Galaxy S20+ 5G | 1050 € | Exynos 990 | Exynos 5123 | ✓ | ✓ | ✓ | ✓ | – |
Samsung Galaxy S20 Ultra 5G | 1350 € | Exynos 990 | Exynos 5123 | ✓ | ✓ | ✓ | ✓ | – |
Xiaomi Mi Mix 3 5G | 390 € | Snapdragon 855 | Snapdragon X50 | – | – | ✓ | – | – |
angekündigt; Konfiguration, Preis, Name und Zeitpunkt des Deutschlandstarts noch ungewiss | ||||||||
Huawei P40 Pro | 1000 € | Kirin 990 5G | integriert | ✓ | ✓ | ✓ | ✓ | – |
Nokia 8.3 | 650 € | Snapdragon 765G | integriert | – | ✓ | ✓ | ✓ | – |
Oppo Reno3 Pro 5G | k. A. | Snapdragon 765G | integriert | k. A. | k. A. | k. A. | k. A. | k. A. |
TCL 10 Pro | k. A. | Snapdragon 765G | integriert | k. A. | k. A. | k. A. | k. A. | k. A. |
Xiaomi Redmi K30 Pro | k. A. | Snapdragon 865 | Snapdragon X55 | k. A. | k. A. | k. A. | k. A. | k. A. |
k. A. = keine Angabe ✓ = vorhanden – = nicht vorhanden |
Bandsalat
Bei der Auswahl des Smartphones gilt es auch wieder, die von LTE bekannte Verwirrung um die unterstützten Funkbänder zu berücksichtigen. Hierzulande wird 5G hauptsächlich auf dem in der Frequenzauktion 2019 vergebenen Band N78 (3,5 GHz) laufen, aber auch auf N28 (700 MHz, ehemals DVB-T) und beim Abschalten von UMTS auf N1 (2,1 GHz). Campusnetze nutzen das Band N77 (3,7 GHz).
Die erste Generation der 5G-Smartphones mit Snapdragon 855/Snapdragon X50 und Exynos 9/Exynos 5100 (siehe Tabelle) unterstützt nur N78. Derzeit ist man damit gut aufgestellt, von zukünftigen 5G-Netzen aber ausgeschlossen. Ein Band mehr geht beim Kirin 980/Balong 5000, zwei Bänder beim Snapdragon 765 mit eingebautem 5G.
Alle vier hierzulande interessanten Bänder gibts beim Samsung Exynos 990/Exynos 5123 (S20-Familie) und Huawei Kirin 990 5G (P40 Pro, Mate Xs und Mate 30 Pro 5G), aber selbst die können dann kein mmWave-Band. Auch die weiteren in Deutschland für Mobilfunk verwendeten Bänder 20, 8, 32, 3 und 7 beherrschen sie nicht komplett, was aber keine Einschränkung ist, weil die Provider sie auf viele Jahre für LTE und GSM vorsehen.
Bei Import-Geräten muss man wie zu LTE-Zeiten aufpassen. Beispielsweise funkt die US-Version des Galaxy S20 Ultra 5G (Snapdragon 865/Snapdragon X55) in N2, N5, N41, N66, N71, N260 und N261 – findet also gar keines der hierzulande genutzten 5G-Bänder. N260 und N261 sind übrigens zwei mmWave-Bänder – in der EU werden allerdings wohl eher N258 und vielleicht N259 zum Einsatz kommen.
Fazit
Campusnetze nutzen für Smartphones praktisch nichts, Gigabit-Geschwindigkeiten sind auf Jahre nicht flächendeckend zu erwarten, und von Echtzeit- oder Edge-Anwendungen ist nichts zu sehen – also bringt 5G in Smartphones keinen Vorteil? Außer die kleine Hoffnung, die 5G-Zellen in den nächsten Jahren quasi für sich alleine zu haben?
Eine nicht ganz so spektakuläre, aber in der Praxis viel bedeutsamere Geschwindigkeitssteigerung darf man aber dann doch erwarten, und zwar in den Gebieten außerhalb der mit Mehrfachfrequenzen ausgebauten Ballungszentren. Denn hier ließen sich schon mit einem einzelnen 5G-Band Datenraten erzielen, die LTE nur aggregiert mit zwei oder drei Bändern schafft. Und mit durchgehend vielleicht 200 statt 10 MBit/s auf dem Land und in Vororten kann man im Alltag mehr anfangen als mit nur nachts auf einem einsamen Messegelände erreichbaren 800 MBit/s.
Höhere Datenraten sind am Smartphone zudem gar nicht nötig: Riesige Downloads führt man selten und dann bevorzugt im nicht datenlimitierten WLAN durch, HD-Videostreams benötigen weniger als 10 MBit/s, selbst die auf einem Smartphone witzlosen 4K kommen mit 15 bis 25 MBit/s aus. Auch wer sein Notebook übers Handy anbindet, braucht selten mehr. Die höheren 5G-Datenraten spielen eher für die Heimanbindung eine Rolle, also im Router.
Für Smartphone-Nutzer ist 5G somit kein Quantensprung mit neuen Anwendungsfeldern und gigantischen Downloadraten – wofür auch. Die neue Funktechnik erlaubt nur mehr Anwendern als bisher, gute Datenraten auch unter widrigen Umständen zu bekommen. Allerdings bezahlt man das momentan mit schlechteren Laufzeiten und dem Risiko, von zukünftigen 5G-Netzen ausgesperrt zu sein. (jow@ct.de)