c't Fotografie 6/2016
S. 166
Porträt
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Porträt: Judith Schlüter Nachts IN AMSTERDAM

Judith Schlüter ist als Fotografin gern unterwegs. Meistens fotografiert sie auf Filmsets für Werbefilme. Doch auch die Nächte in und um Amsterdam sind für sie eine magische Herausforderung.

Ihre erste Kamera war eine Kodak Ektra 200 Pocket camera! Arbeitsschwerpunkte der Fotografin sind Setfotografie bei Werbefilmen, Nachtfotos und Porträts. Aktuell arbeitet sie außerdem an Nachtfotos für eine Fotoausstellung über De Jordaan, einen historischen Stadtteil Amsterdams. Und Traumprojekte? Die hat sie auf jeden Fall: Judith Schlüter würde gern einmal Nachtfotos auf internationalen Flughäfen machen oder Setfotos während Werbeaufnahmen für Automobile.

Allein mit ihrer Kamera, ohne festes Ziel und bei völliger Dunkelheit machte sich Judith Schlüter auf die Suche nach Bildern. In den Vorstädten von Amsterdam entdeckte sie die Mystik des Lichts und lernte, die Nacht zu sehen. Anfangs waren ihr die Trips selbst etwas unheimlich. Mit ihrem Roller fuhr sie durch die Amsterdamer Nächte und wagte kaum, lange anzuhalten. Wer nachts fotografierend umherfährt, wirkt irgendwie verdächtig. Doch dann wurde sie süchtig nach diesen Ausflügen. „Nachts sieht man Dinge, die tagsüber total uninteressant sind“, sagt sie. Die Idee zu diesem Projekt hatte sie schon lange, seit sie Nachtfotos des berühmten israelischen Fotografen Nadav Kander sah. Und außerdem wollte sie endlich einmal ganz allein über ihre Motive entscheiden, ohne an Aufträge gebunden zu sein. „Ich habe bewusst versucht, nicht zu planen und zu analysieren, sondern nur meinen Augen zu vertrauen.“ Jetzt leuchtet ein Gewächshaus wie ein surreales Glasobjekt und der Leuchtturm sendet nicht nur Helligkeit, sondern steht selbst in mystischem Licht. Alles fotografiert mit Judith Schlüters Nikon D800 und bis zu 30 Sekunden lang belichtet.

Eigentlich wollte Judith Schlüter mal zum Film. Doch um Cutterin zu werden, brauchte sie ein Praktikum, das sie bei einem Werbefotografen absolvierte. Die Arbeit dort machte ihr so viel Spaß, dass sie eine Fotolehre machte. Danach zog sie nach Amsterdam, zuerst für eine Assistenz, dann für immer. „Die Stadt ist toll“, sagt sie. „Ein Dorf mit den Möglichkeiten einer Metropole.“ Und hier wurde über Umwege ganz unerwartet ihr Traum doch noch wahr: Judith Schlüter landete beim Film. Irgendwann kam der Auftrag, Fotos an einem Filmset zu machen. Gedreht wurde ein Werbefilm, gesucht wurden Bilder für die Printkampagne. „Ich habe offenbar ein Talent, diskret so nebenher zu fotografieren. Alle arbeiten unter Hochspannung, da brauchen sie keinen Fotografen, der extra Licht und Zeit will und womöglich noch im Bild rumsteht.“ Fährt die Kamera auf Schienen, läuft sie mit oder stellt ihre Leiter auf und hängt sich von oben in die Szene. Und ganz nebenbei entstehen so Fotos für Werbekampagnen oder ein CD Cover für Nigel Kennedy.