PORTFOLIO

Aydın Büyüktaş

In der Bilderwelt von Aydın Büyüktaş haben die üblichen Naturgesetze nur noch begrenzte Gültigkeit. Mit Drohnen und Montagekunst entrückt er seine Motive der Realität. Der türkische Fotokünstler nimmt den Betrachter mit auf einen surreal anmutenden Trip durch seine Heimatstadt Istanbul.

Der englische Schriftsteller Edwin A. Abbott (1838–1926) beschreibt in seiner satirischen Novelle „Flatland. A Romance of Many Dimensions“ das fiktive Kastensystem einer flachen, zweidimensionalen Welt, in der die Bewohner die Gestalt geometrischer Formen haben: Frauen sind zum Beispiel Linien, Arbeiter gleichschenklige Dreiecke und Gelehrte sind Quadrate. Der Protagonist A. Square erfährt im Verlauf der Geschichte von der Existenz weiterer Dimensionen, was ihm einige Schwierigkeiten einbrockt. Letztendlich wird Square von seinen Landsleuten sogar eingekerkert. Den türkischen Fotografen Aydın Büyüktaş (Jahrgang 1972) hat die historische Erzählung zu den Bildern seiner Serie „Flatland“ inspiriert.

Es sind surreale Architekturcollagen, viele davon sind in seiner Heimatstadt Istanbul entstanden. „Meine Arbeiten zielen darauf ab, den Betrachter mit einem überraschenden, ironischen, multidimensional-romantischen Standpunkt allein zu lassen“, erklärt der Türke. Anders als bei Abbott sind handelnde Protagonisten bei seinen Bildern aber nur „schmückendes Beiwerk“. Im Zentrum stehen architektonische Bauwerke, der Betondschungel der Großstadt oder einfach nur ein Skatepark für Kinder und Jugendliche. Jedes der Motive wird von Büyüktaş hochgeklappt, als Betrachter steht man wie vor einer mächtigen Welle oder der Wand einer Halfpipe. Der Fotokünstler sagt dazu: „Ich hatte die Idee, den Himmel zu biegen, um Istanbul noch besser zu sehen.“

In den Bildern steckt intensive Detailarbeit, anfangs versuchte sich Büyüktaş mit analogen Collagen, die Resultate stellten ihn aber nicht zufrieden. Er wechselte auf die Montagearbeit mit Photoshop. Auf die strukturierte Produktion des fotografischen Rohmaterials legt er auch viel Wert: „Ich habe alle Orte, die ich fotografieren will, die gewünschten Winkel und die Schnittstellen, die die Fotos verbinden, bis ins kleinste Detail vorher geplant.“ Für ungewöhnliche Bildperspektiven kommen bei ihm auch immer wieder Drohnen zum Einsatz. Büyüktaş Werk ist eine gelungene Herausforderung an den Betrachter, sich mit althergebrachten Wahrnehmungsmustern auseinanderzusetzen und selbst klassische Architektur wie die der Neuen Moschee visuell neu zu entdecken. (sea)