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Was war. Was wird.

Nach dieser Woche ist nichts mehr wie bisher: Bei Microsoft droht eine Sonntagsschicht und Pixelpark hat einen Betriebsrat. Gut, dass wenigstens Hal Faber in seinem Lazyboy Explorer kühlen Kopf bewahrt.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war

*** Mit drei Buchstaben kann man die Welt erklären. H2O ist IMO einfacher als Wasser. Und GNU einfacher als GNU's not Unix. Auf alle Fälle wird es kompliziert, wenn sich die Buchstaben wie in IYFEGH türmen. Und daran sind prompt wir Juden oder Programmierer schuld. Erst recht kompliziert wird es, wenn wir uns aus dem germanglomissingsch entfernen und in andere Sprachen eintauchen: KESTUVEUDIR? Bleiben wir also bei drei Buchstaben, wie CPU. Doch was ist, wenn CPU nicht Control Processing Unit und nicht Computerized Processes Unlimited bedeutet, sondern schlicht und einfach für Costs Per Urination steht? Richtig, wir sind im Reich der Werbung gelandet, und zwar mitten im ersten interaktiven Pinkelbecken.

*** Zu den Glanztaten dieser Branche zählt eine Werbung für den neuen Ford Explorer, mit der Yahoo Amerika seine Surfer einen Tag lang bediente: Fünf Vögel sitzen oben am Bildschirmrand, drei von ihnen fliegen durch die Webpage nach unten zum Futtern, worauf das Explorer-Logo erscheint. Ein Klick auf die Werbung bringt schließlich die komplette Website zum wackeln, wie bei einem Erdbeben. Danach sind die drei Piepmätze plattgefahren. Dies virtuose Beispiel einer verknoteten Werbebotschaft stimmt auf die gedruckte Ausgabe von Yahoo ein. Yahoo Internet Life möchte als erste Zeitschrift Schwung in langweilige Computertests bringen, umfassend und objektiv versteht sich. Dafür lässt sie den Microsoft Explorer gegen den Ford Explorer und den Lazyboy Explorer, einen interaktiven Sessel, antreten. Leider fehlt der Symicron Explorer, was viel über die Objektivität von Computertests aussagt. Im Yahoo-Test gewinnt übrigens der Sessel, weil der jeden Crash abfedert.

*** Andere haben mit dem Crash so ihre liebe Not. Groß angekündigt fand in Berlin die erste deutsche Pink-Slip-Party statt, zu der mehr Journalisten als gefeuerte Bobos erschienen. Organisiert wurde das Schaustück von Snacker.de, dem "größten Food-Lieferservice für Verbraucher" bei dem prompt ein anderer hungriger Vogel landete – der Pleitegeier. Das stimmt natürlich traurig, denn mit Snacker.de nehmen wir auch Abschied von der Inhaberin Sima Gräfin von Hoensbroech, die vor einigen Monaten vom Verband der deutschen Internet-Provinzler zur "ersten Internet-Frau Deutschlands" gewählt wurde. So verschwindet der Adel aus den Netzen und keine Suche hilft.

*** Wech ist wech, dass musste Microsoft beim teuren Redesign des Web-Auftrittes schmerzlich erfahren, bei dem ein Linux-Papier abhanden gekommen ist, das justament einen Tag zuvor die Linux-Gemeinde in Wallung gebracht hatte. Futsch, das schöne Thesenpapier – den ganzen Server rauf und runter gesucht, aber doch nicht gefunden. Da hilft wohl nix, da muss die Marketingabteilung wohl heute noch mal ran, Sonntagsschicht schieben.

*** Verloren ging auch der Kopf von Egon Erwin Kisch beim Prager Kisch-Denkmal, schon zum zweiten Mal, was erst bemerkt wurde, als er für ein Internet-Projekt fotografiert werden sollte. Und dann waren da noch die Vertreter einer EU-Delegation in Amerika, die sich auf den Spuren von Echelon bewegten, aber den Kopf verloren, als niemand mit ihnen reden wollte. Sie reisten ab, ohne einen Sitzstreik zu riskieren.

*** So bleibt die Frage, ob wir auch ein Echelon brauchen, ein Euchelon oder ein deutsches eEchelon. Die Statistik ist eine energische Frau und sagt: "Ja!". 1998 gab es bundesweit 9802 richterlich angeordnete Überwachungsmaßnahmen, ein Jahr später schon 12.651. Auf dem Münsteraner Kongress zur TKÜV und der inneren Sicherheit wurde gemunkelt, dass sich diese Zahlen für das abgelaufene Jahr verdoppelt haben sollen. Das bemerkenswerte an dieser Sache: bisher ist den Experten in Sachen Innerer Sicherheit und Strafverfolgung kein einziger Fall bekannt geworden, in dem der Antrag auf das Anzapfen von Telefon, E-Mail und sonstigen Datenströmen vom Gericht abgelehnt wurde. Da wäre es doch praktischer, wenn man all das Procedere einspart und zügig eine automatische Überwachungsschnittstelle realisiert, ein echtes B2B-Modell für Fachleute, natürlich C2CC genannt: Criminal to Criminal-Communications.

*** Mit der inneren oder besser mit der innerbetrieblichen Sicherheit tut sich seit kurzem auch die New Economy schwer. Da ist ausgerechnet in dieser Woche bei Pixelpark ein Betriebsrat gewählt worden. Gemessen an der Unruhe, die dieser Wahlakt in der Branche ausgelöst hat, könnte man meinen, es handle sich nicht um ein sozialpartnerschaftliches Mitbestimmungsorgan, sondern um die Installation eines Rats revolutionärer Web-Designer. Tja, das kommt halt raus, wenn man die Welt nur aus dem Internet kennt. Bobos hört die Signale: Erst wenn die letzte Aktie in der Keller gefallen, die letzte Entlassungsparty gefeiert und der letzte Computer abgeschaltet ist, werdet ihr feststellen, dass es ein Leben nach dem Optionsschein gibt.

*** Und noch eine Nachricht, die uns nachdenklich macht: Douglas Adams ist tot. Mach's gut, und danke für den Fisch!

Was wird

*** Stars, Sternchen und jede Menge Fotografen tummeln sich rund um Cannes. Viele glauben, dass irgendwo am Strand, im zweithässlichsten Kongressgebäude von Frankreich ein Festival stattfindet. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Die eigentlich Sause steigt im hässlichsten Kongressgebäude von Frankreich, in Nizza. Dort findet die Brainshare Europe statt, auf der sich Leute die Gehirne martern, die fest an die Kompetenz von Novell glauben. Die Frage ist nur, ob die Firma, die gerade ihr eDirectory für lau herausrückt, noch an sich selber glaubt. Aber vielleicht spielen Eric Schmidt und Drew Major in einem anderen Film.

*** An einem Wettbewerb der hässlichsten Kongressgebäude könnte auch ein Ding teilnehmen, das in Berlin steht. Dort öffnet die Internet World ihre Pforten, angekündigt als "Leitmesse für das Internet". Tröstlich, dass es Leithammel gibt, die die Richtung im Netz kennen. Doch die Internet World schrumpft. Bald passt sie komplett ins Kanzleramt, das bekanntlich zum Regieren viel zu groß ist. Damit wir uns aber richtig verstehen: regieren kann das Internet sich selbst, jawohl! Es kann sich auch selbst säubern, denn wie schreibt es KinderCampus.de so schön in seiner Pressemeldung zur Internet World: "Die Kids stehen jeder Gefahr aus dem Internet vollkommen schutzlos gegenüber." Für 8- bis 12-Jährige sei das Internet daher extrem gefährlich und sollte nur über ein "ausgereiftes Angebot" wie dem KinderCampus betreten werden. Das sollte eigentlich auch Doris Schröder wissen, die im Ausland als Mutter aller Verwahrungen gewürdigt wird.

*** Und wenn diese Kolumne im Ticker steht, ist freilich noch etwas anderes zu feiern: Heise-Surfer, Heise-Surferinnen! Ehret eure Mütter! Jetzt! (Hal Faber) (em)