Wie Mikrotasks die Arbeit erleichtern

Unsere Arbeit wird immer kleinteiliger. Die Pandemie verstärkt diese Entwicklung noch. Mikrotasks sollen Zeit für die wichtigen Dinge schaffen.

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Von
  • Eva Wolfangel

Unterbrechungen verhindern regelmäßig, bei der Arbeit in den „Flow“ zu kommen. Forscherinnen und Forscher wie Shamshi Iqbal von Microsoft Research haben systematisch untersucht, wie sich Arbeit sinnvoller strukturieren und das Gehirn entlasten lässt. Das berichtet das Magazin Technology Review in seiner aktuellen Ausgabe 4/2021 (am Kiosk oder online bestellbar), die es auch als günstiges Bundle aus Print- und Digital-Ausgabe gibt.

Der Schlüssel zum Erfolg sind sogenannte Mikrotasks – kleine, mundgerechte Aufgaben, die sich schnell nebenbei erledigen lassen. In einer Studie gab Iqbal den Teilnehmern zunächst kleine Aufgaben, beispielsweise zunächst Rechtschreibfehler in einem Text zu verbessern, bevor sie beginnen sollten, das nächste Kapitel zu schreiben. Ihre Studie zeigte, dass man idealerweise mit etwas sehr Einfachem beginnt und die Schwierigkeit langsam steigert. Das senke die Hürde, die nächste große Aufgabe anzugehen.

In einem anderen Experimenten hatte Iqbal ihre Probandinnen gebeten, während ihrer Arbeit an einem Dokument Notizen mit kleinen Aufgaben zu hinterlassen, die noch zu erledigen waren. Beispielsweise „Hier muss ich noch die Quelle ergänzen“. Ein selbstgeschriebenes Tool erlaubte den Versuchspersonen, diese Aufgaben genau dann anzugehen, wenn sie gerade kein längeres Zeitfenster zu Verfügung hatten, etwa beim Warten auf den Bus oder den Beginn eines Meetings. Mit dem Tool konnten sie nun die fehlende Quelle recherchieren und direkt beim Dokument hinzufügen.

Wenn sie später an den Schreibtisch zurückkamen, waren signifikant mehr dieser kleinen Aufgaben bereits erledigt als bei einer Kontrollgruppe, die zwar auch mobilen Zugriff auf ihr Dokument hatten, denen aber keine Mikrotasks präsentiert worden waren.

Zusammen mit Kolleginnen hat Iqbal zudem ein Tool entwickelt, das Mikrotasks in den Facebook-Feed von Nutzern integriert. Nach ein paar Posts bekommen sie nun eine ihrer Aufgaben präsentiert, beispielsweise eine Quelle zu recherchieren. Sie mussten dafür Facebook nicht verlassen – auch dieses Tool pflegte die erledigten Aufgaben automatisch in das entsprechende Projekt ein. Während etwa ein Drittel der Probanden die Tasks schlicht ignorierte, erledigte sie ein zweites Drittel direkt in Facebook und der Rest kehrte direkt zum Dokument zurück. Man könnte vermuten, dass die Unterschiede auf verschiedene Persönlichkeitstypen zurückzuführen sind.

Einen Hinweis darauf liefert die Forschung von Gloria Mark, Professorin für Informatik an der University of California: „Für manche ist Facebook eine echte Pause.“ In einem Experiment blockierte sie kurzerhand den Zugang zu Facebook für Probanden. Doch nur die Hälfte wurde dadurch produktiver, die andere Hälfte war weniger produktiv und zudem gestresst. „Weil wir ihnen die Pause genommen hatten“, so Mark.

Zudem stiegen die Selbst-Unterbrechungen. Probanden wechselten dann aktiv von sich aus den Task oder schauten noch mal schnell in die E-Mails. Mikrotasks können dabei helfen, dies bewusster zu tun, sagt Mark: Statt Aufgaben könnten diese auch Beschäftigungen für Pausen enthalten.

TR 4/2021

Weil das Bedürfnis nach Unterbrechungen und Pausen je nach Aufgabe und Persönlichkeit variiert, ist es nicht einfach, Aufgaben in Form von Mikrotasks vorzustrukturieren. Und sie sollten nicht den Flow unterbrechen, wenn man ihn einmal gefunden hat. Hier kann Technologie ins Spiel kommen, um den Zustand eines Nutzers zu erkennen. Im Labor lassen sich beispielsweise schon recht gut Korrelate finden, die mit gedanklichem Abschweifen oder kognitiver Ermüdung assoziiert sind – zum Beispiel die Stärke der Schwankungen von Gehirnwellen im sogenannten Alpha-Bereich.

Wenn künstliche Intelligenz aber unsere Arbeitsweise so gut erkennt, dass sie immer mehr Leistung aus uns herauskitzelt, kann es auch gefährlich werden, gibt Iqbal zu: „Wenn wir unsere Arbeit überall erledigen können, hast du die Verantwortung, dich nicht zu überarbeiten.“ Deshalb hat sie für sich selbst Mikrotasks kreiert mit Inhalten wie „Atmen“ oder „Yoga“ oder einfach „Pause“.

(grh)