Tidal im Test: Musik-Streaming in Studioqualität
Unsere Erfahrungen mit Tidal
💡 Das Wichtigste in Kürze |
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Es ist rund ein Vierteljahrhundert her, seit das MP3-Audioformat begann, die Musikindustrie umzukrempeln. Plötzlich war es möglich, komprimierte Musik mit meist fragwürdiger Qualität über das Internet zu hören – und per Tauschbörse wie Kazaa oder Napster niedrigschwellig zu stehlen. Die Musikindustrie reagierte erst geschockt, dann juristisch mit Abmahnungen und Lobbyarbeit. Die Lösung lag letztlich in Online-Musik-Geschäften wie dem iTunes-Store: Günstige Musik in guter Qualität zu einem niedrigen Preis löste viele Probleme, die die Tauschbörsen verursacht hatten.
Der Wunsch, legal und kostengünstig auf den Musikbestand der Menschheit zuzugreifen, war in der Welt – und seit die Internetverbindungen es zulassen, boomen deshalb Streamingdienste wie Spotify oder Apple Music.
Die haben allerdings ein Problem: Die komprimierte Qualität ist zwar gut genug für Otto-Normalnutzer mit Standard-Kopfhörern und einfachen Bluetooth-Boxen. Für audiophile Musikfans mit High-End-Equipment ist die Qualität der Streaming-Ware aber oft nicht ausreichend. Genau diese Qualitäts-Lücke schließt der Musikdienst Tidal: Er bietet sehr hochwertige Audiodateien, zum Teil in Master-Qualität ohne digitale Kompression – und will dadurch Streaming auch für Audiophile salonfähig machen.
Audio-Streaming in Studioqualität
Tidal wirbt damit, dass es, anders als die meisten anderen Dienste, „Kunst in höchster Qualität“ liefert. Und tatsächlich bietet Tidal Musikqualität weit über die übliche Streaming-Qualität der Mitbewerber hinaus: Bis zu 9216 Kilobit pro Sekunde sind bei Tracks in der Qualitätsstufe „Master“ (High Resolution Audio) möglich. Das ist laut Anbieter digitale Musik in Studioqualität. Zum Vergleich: Eine normale iTunes-AAC-Datei hat 256 Kilobit pro Sekunde. Das bedeutet für Tidal-Hörer jedoch auch, dass ein Song in Master-Qualität sehr viele Daten verbraucht, was vor allem mobil auf das Datenvolumen schlägt. Daher bietet Tidal zusätzlich die Qualitätsstufen „HiFi“ (unkomprimierte CD-Qualität, 1411 Kbps), „High“ (AAC mit 320 Kbps, entspricht Spotify Premium) und „Normal“, wobei letzteres vor allem für maximale Datensparsamkeit gedacht ist.
Preise: Tidal HiFi vs HiFi Plus
Der im Vergleich sehr hohe Bereitstellungsaufwand für Songs in CD- und Masterqualität bedeutet auch, dass Tidal – anders als Spotify – keine komplett kostenlose, werbefinanzierte Nutzung anbietet. Vielmehr müssen sich Kunden nach einem kostenlosen Probemonat für einen der beiden Tarife entscheiden:
- Der Tarif „HiFi“ für 9,99 Euro / Monat liegt auf dem Preisniveau des Mitbewerbs und schließt CD-Qualität und Offline-Hören ein.
- Der Tarif "HiFi Plus" kostet monatlich 19,99 Euro und schaltet die Master-Qualität frei. Zusätzlich sind direkte Künstlervergütung und fanbasierte Tantiemen im Abo enthalten, wodurch Tidal-Nutzer ihre Lieblingskünstler durch ihre Hörgewohnheiten automatisch aktiv unterstützen.
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Klangqualität: Viele, aber nicht alle Songs in Studioqualität
Die Master-Qualitätstufe für den HiFi-Plus-Tarif ist nicht bei allen Songs und Alben verfügbar. Sie ist aber immerhin recht häufig: So sind etwa Klassiker wie Abbey Road von den Beatles (1969) oder Johnny Cashs „At Folsom Prison“ (1968) in Master-Qualität zu haben, ebenso wie die meisten Alben weniger bekannter Bands der Ska-Combo Reel Big Fish. Andere Künstler und Alben sind zumindest teilweise in diese Qualitätsstufe erhältlich: So gibt es etwa das Hit-Album „(Whats the Story) Morning Glory“ (1995) von Oasis als Master; andere Alben der Band hingegen nicht. Grundsätzlich stehen im HiFi Plus-Tarif die Chancen aber recht gut, dass das jeweilige Lieblings-Album in bester Qualität bei Tidal verfügbar ist.
Master-Qualität im Praxistest: Einfach nur wow!
Wer saubere Ohren hat und gerne Musik hört, wird beim direkten Vergleich zwischen den verschiedenen Qualitätsstufen einen deutlichen Unterschied hören: Master-Dateien sind unkomprimiert und damit extrem dynamisch, während schon die CD-Qualität eine Qualitätsreduktion darstellt. Vor allem zwischen Standard- und Master-Qualität ergeben sich hier – entsprechendes Audio-Equipment vorausgesetzt – enorme Unterschiede.
Die Master-Qualität ist dabei definitiv empfehlenswert, der Klang ist schlicht – wow! Auf der richtigen Audio-Hardware fühlt sich sonst als komprimiertes iTunes-AAC genossene Musik völlig neu an. Der Unterschied kommt vor allem bei Rock- und Akustik-Stücken sowie klassischer Musik zum Tragen.
Master-Qualität: Gute Hardware ist Pflicht
Insbesondere auf der höchsten Qualitätsstufe hängt das Hörerlebnis stark von der Qualität der Stereoanlage oder Kopfhörer ab: User mit Bluetooth-Audiogeräten oder preiswerten Boxen werden aufgrund der Kompression im Bluetooth-Protokoll und der Physik kaum einen Unterschied hören. Insofern lohnt sich der HiFi-Plus-Tarif nur für Nutzer, die ein hochwertiges, kabelgebundenes Audiosystem bespielen. Ohne einen guten Kopfhörer oder ein qualitatives Soundsystemen ist die Master-Qualität letztlich Verschwendung; hier kann man gleich zum günstigen Tarif greifen oder einen anderen Streamingdienst wählen.
Zu bedenken ist auch, dass Musik in Studioqualität eine Bandbreite von immerhin knapp 1,2 Megabyte pro Sekunde benötigt – doppelt so viel wie ein Netflix-Stream in 1080p. Wer etwa eine 16-Mbit-Internetverbindung mit weiteren Nutzern oder Anwendungen teilt, kann hier bei Echtzeit-Wiedergabe in Engpässe laufen und sollte seine Lieblings-Songs vor dem Anhören herunterladen. Gleiches gilt bei Nutzung von (mobilen) Datentarifen oder Volumendeckelung.
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Musikauswahl: Reichen 80 Millionen Tracks?
Mit einem Bestand von 80 Millionen Songs und 350.000 Musikvideos kann Tidal auf einen riesigen Musik-Katalog zugreifen: Musikfans werden hier beim Stöbern garantiert fündig. Im Test waren die meisten Bands, die wir suchten, vorhanden. Auch alle Alben waren verfügbar, zum Teil sogar Exoten, seltene EPs oder Single-Releases. In Teilen ist der Bestand aber nicht komplett: Gerade weniger bekannte Bands sind nicht immer mit dem vollen Alben- und Single-Bestand vorhanden, vor allem, wenn sie diese hauptsächlich in Kleinauflagen oder bei sehr unbekannten Labels veröffentlicht haben. Bei Tidal gibt es viel – aber längst nicht alles. Wer einen ausgefallenen Musikgeschmack hat, sollte den kostenlosen Probemonat nutzen, um seine Vorlieben mit Tidals Bestand abzugleichen.
Apps & Software: Einfache Bedienung und hervorragende Geräteunterstützung
Passend zur Qualität der von Tidal ausgelieferten Musik ist auch die Qualität der Software: Der Tidal-Player ist gleichzeitig minimalistisch und funktional und nach Art eines Webbrowsers aufgebaut. Die schnelle Suchfunktion, die Playlisten und die praktischen Vor- und Zurück-Funktion erlauben eine sehr schnelle Navigation in der Musikbibliothek des Dienstes und zwischen verschiedenen Songs und Alben. Wer während einer Playlist Lust auf einen anderen Song hat, findet ihn mit zwei Handgriffen, kann ihn abspielen – und anschließend einfach über den Zurück-Button wieder in die Playlist zurückkehren.
Ebenfalls praktisch: Die maximale Audio-Qualität kann schnell global eingestellt werden. Wer unterwegs auf Datentarif surft, kann dem exorbitanten Datenverbrauch der App damit schnell Einhalt gebieten, ohne auf seine Musik verzichten zu müssen. Und weil Tidal aufgrund des eigenen Musikgeschmacks ständig neue Songs und Künstler vorschlägt, erweitert sie ganz nebenbei das musikalische Portfolio. Das ist schön gelöst und macht Spaß.
Die App ist für Windows, MacOS, iOS und Android sowie browserbasiert verfügbar. Außerdem lässt sich Tidal auf zahlreichen HiFi-Geräten von Sonos, Denon, Onkyo und vielen anderen Anbietern wiedergeben. Wer CarPlay oder Android Auto nutzt, kann Tidal auch im Auto hören.
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Fazit: Ein Fest für Musikfans mit hochwertigem Soundsystem
Insgesamt präsentiert sich Tidal als hervorragender Audio-Streaming-Dienst für Nutzer, denen die Qualität konventioneller Streamingdienste nicht ausreicht. Musik-Fans, die ihre Lieblings-Künstler und -Alben bewusst auf hochwertigen Audiogeräten genießen wollen, dürften kaum ein Argument gegen den Dienst finden: Die Qualität des Streamings ist bereits in CD-Qualität hervorragend, die Master-Dateien verwandeln aber selbst oft gehörte Songs und Alben in ein Erlebnis. Die hochwertige Tidal-App rundet den Dienst ab, die Verwendung ist sehr einfach und es macht Freude, mit ihr in Tidal zu stöbern.
Perfekt ist Tidal allerdings (noch) nicht: Der Bestand, vor allem in Master-Qualität, könnte hier und dort durchaus eine Aufstockung vertragen. Für vollen Klang-Genuss stellt der Dienst zudem gewisse Anforderungen an die Hörenden. Denn mit knapp 20 Euro im Monat ist das Abo für höchste Wiedergabequalität nicht gerade billig. Und auch günstige Soundsysteme oder (Bluetooth-) Kopfhörer machen die Vorteile in der Klangqualität zunichte. Wer hier nicht gut ausgestattet ist, fährt mit dem kleineren Tarif oder gegebenenfalls anderen Streamingdiensten besser.
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Redaktion & Aktualisierung: heise Download-Team
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